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Digitales Rechtemanagement (DRM) - Kunst, Kultur und Zeitgeschichte wird eingesiegelt
Benutzer Bewertung: / 5
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Geschrieben von Tobias Heinz   
Friday, 30 May 2003
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Um das Problem zu verdeutlichen, lassen Sie mich mit einem bildlichen Vergleich beginnen: Die Tafeln mit den drachähnlichen Figuren, Blumenornamenten und abstrakten Symbolen üben eine fast magische Anziehungskraft aus. Es sind Werke der Maya. Die Magazine quellen über von diesen niedergeschriebenen Zeugnissen der Maya. Und dennoch: Stumm geblieben zeugen nur die Pyramiden, Stadtanlagen, das Straßennetz und die bruchstückhafte mündliche Überlieferung von dieser blühenden Hochkultur, denn wir verstehen die beredten Tafeln, Texte, Handbücher und Bücher nicht. Die Meister der Vergangenheit vermögen nicht mehr über den Weg des Aufschreibens ihrer Werke mit uns zu sprechen.

In diesem Fall war es die Zeit, die uns den Schlüssel zum Vermächtnis der Maya, der Knotenschrift der Inka - geknotete Bits und Bytes, indischen Überlieferungen und vielem mehr entrissen hat. Wir werden nicht mehr erfahren, ob der Text hier ein Gedicht - vielleicht ein Liebesgedicht oder Heldenepos - eine mythische Legende oder nur die trockene Statistik eines Beamten ist. Es ist so traurig: wir halten die Form perfekt erhalten in der Hand, wir sehen die Zeichen in einwandfreiem Zustand, nichts ist verwittert, unleserlich oder zerstört - und doch, der Inhalt bleibt für immer im Dunkel.

Heute arbeitet nun die Industrie - eine unheilige Allianz aus Microsoft, Computerherstellern und Konzernen für populäre Medien - daran, Kunst, Kultur, Musik - aber auch die einfachen Zeugnisse des täglichen Lebens mit Wasserzeichen zu versehen, zu verschlüsseln und einzusiegeln, vielleicht letztendlich einzusargen? Die Technologie heißt "digitale Rechteverwaltung" - kurz DRM. Sie soll sicherstellen, daß nur ein legaler Rechteinhaber Zugang zum Inhalt hat; ein System determiniert wer legaler Rechteinhaber ist; so daß Inhalte all denen unlesbar und unzugänglich bleiben - auch wenn Medien physikalisch in perfektem Zustand vorliegen - der von einer zentraler Stelle nicht als legaler Rechteinhaber verifiziert werden kann.

Dabei wird die Diskussion um Musiktauschbörsen, Jugendliche, die sich Musik oder Filme über das Internet besorgen und kopieren, in den Mittelpunkt gestellt, um von den tiefgreifenden und nachhaltigen Änderungen im täglichen Leben eines jeden Bürgers abzulenken. Bei Urheberrecht und digitalem Rechtemanagement geht es gerade nicht um etwas, das nur einige jugendliche Computerfreaks angeht!



Doch das sollte zu denken geben. Mit der zunehmenden Digitalisierung aller ideellen Äußerungen des Menschen, stellt sich zunehmend das Problem, daß nicht nur das Werk an sich vorhanden sein muß, sondern auch ein entsprechende Abspielgerät. Während man Schallplatten unter Umständen noch ohne einen Schallplattenspieler hörbar machen kann, bleiben schon viele Werke auf 8-Track Kartuschen oder der ersten Generation Laserdisks (damals noch auf schwarzes Vinyl gepresst) stumm. Bilder auf Speicherkarten der ersten Generation können heute nicht mehr betrachtet werden, und wer eine Sammlung von Betamax Videokassetten vererbt bekommt, hat es schwer heute noch einen funktionierenden Betamax Abspieler zu finden. Wie wird es mit dem Erbe an zukünftige Generationen aussehen?

Geht es nach den Befürwortern des digitalen Rechtemanagements (DRM), so werden in Zukunft alle Werke - aber auch Texte, Bilder und Dokumente des Alltages durch zentrale Schlüssel gesichert. Der Rechteinhaber erteilt einem Käufer das Recht, den Inhalt zu nutzen - also z. B. eine CD dreimal zu hören, ein Video einmal anzusehen oder ein Buch ein Jahr lang zu lesen. Danach bleibt der Zugang zu dem Werk verschlossen, bis der Käufer erneut das Recht erwirbt, die CD, das Video oder das Buch, dessen Medium er schon besitzt, wieder zu hören, sehen oder zu lesen.

Was aber wird in der Zukunft sein, wenn die Firma, bzw. der Rechteinhaber längst untergegangen sein wird. Zukünftige Generation werden vor riesigen Datenmengen stehen, ganz so wie wir vor den Schriften der Maya; sie werden die Computer, CD Spieler, Bilderdrucker, Heim-Theater, Video-Abspieler rekonstruiert und funktionsfähig haben und alle Daten werden Ihnen digital deutlich zur Verfügung stehen - was Ihnen fehlen wird, das wird der Schlüssel zu diesen Schätzen sein. Die Musikkonserve bleibt stumm, das Bild weiß und der Schirm dunkel. Die Zukunft hat kein Recht an den Inhalten von heute. Diese Schlüssel laufen technologie-immanent nach festgesetzter Zeit ab, digitale Zertifikate verschwinden oder werden ungültig und sobald diejenigen, die die neuen Schlüssel zu Schlössern digitalisierter Werke anfertigen können verschwunden sind, oder sobald diese es nicht mehr für opportun oder wirtschaftlich halten die dazu notwendige Infrastruktur zu unterhalten (und das kann schon in wenigen Jahren der Fall sein) - sind alle diese Werke völlig unwiederbringlich und für immer verloren.


Die digitale Rechteverwaltung kann noch mehr. Sie schützt interne, vertrauliche oder geheime Dokumente. Nur der adressierte Personenkreis soll Zugriff auf Daten, Dokumente, Bilder oder Filme erhalten. Selbst wenn Computer, Datenträger und die Daten selbst gestohlen sind, kann der Rechteinhaber den Zugriff zentral entziehen. Jedes Dokument muß explizit bei einer zentralen Stelle anfragen, ob eine Authorisierung vorliegt. Selbst bei gestohlenen Ausweisen, Passwörtern etc. kann der Rechteinhaber zentral den Zugriff sperren und somit die gestohlenen Informationen für den Dieb unbrauchbar machen.

Eine schöne Vision für jeden, der sich schon einmal gewünscht hat, ein e-Mail nicht abgeschickt zu haben oder eine Diskette nicht in die Hauspost gelegt zu haben. Mit einem Klick bleibt die Mail beim Empfänger leer oder verschwindet wie von Zauberhand nach einmaligem Lesen oder einer Zahl von Stunden. Wie von Zauberhand ist die Diskette für den Empfänger nicht mehr lesbar.

Ein Traum natürlich auch für Wirtschaftsverbrecher - belastende Daten können unbrauchbar gemacht werden, auch wenn Computer, Datenträger und Daten schon im Büro des Staatsanwaltes stehen.

Noch mehr Möglichkeiten haben Terrorregime. Während am Ende des NS Staates die SS es nicht mehr schaffte die Unmengen von Dokumenten über das größte Verbrechen der Geschichte - den Holocaust - zu vernichten (trotz Verbrennungs- und Vernichtungsaktionen in den letzten Tagen des NS Staates) und während noch die Stasi große Mengen von Datenträgern und Festplatten vernichten wollte, die nun wiederhergestellt werden sollen, wird in der Zukunft ein Diktator noch in den letzten Minuten seiner Terrorherrschaft mit einem Klick alle internen oder als vertraulich, geheim oder streng geheim eingestuften belastenden Dokumente für immer und unwiederbringlich unbrauchbar machen können. (Mehr NS Dokumente - die, hätte es damals schon DRM gegeben - für immer vernichtet worden wären - als Beispiel die Wannseekonferenz hier)

Wo wir heute unseren Kindern die Beweise der Nürnberger Prozesse, die zahllosen Bilder, Filme und Aufzeichnungen zeigen können, damit diese Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten, wird in Zukunft ein  riesiger Berg Daten stehen, zu dessen Entschlüsselung die Verbrecher selbst den Schlüssel weggeworfen haben. Für immer eingesargt durch das digitale Rechtemanagement.


Deutschland hat gemeinsam mit der EU das nachvollzogen, was in den USA und anderen Ländern schon seit längerem (zweifelhaftes) Recht geworden ist. Durch die gesetzlichen Fundamente wird die digitale Rechteverwaltung nicht nur sanktioniert, sondern durch den Staat aktiv gefordert und gefördert. Was mit der Novelle des Urheberrechtes geändert wurde, ist z. B. das Recht auf eine private Kopie.

Im 19. Jahrhundert fand Felix Mendelsson Bartholdy auf dem Dachboden seines Onkel Noten. Es war ein Werk des damals völlig in Vergessenheit geratenen Komponisten Johann Sebastian Bach - die Matthäuspassion.

Mit dieser Wiederentdeckung wurden auch die verschollenen und vergessenen Meisterwerke des Komponisten wieder in das Kulturerbe der Menschheit zurückgeholt. Doch was Mendelsson Bartholdy auf dem Dachboden seines Onkels gefunden hatte war mitnichten ein Original - es war eine private Kopie des Meisterwerkes.

Nicht nur die Matthäuspassion, sondern Millionen von Werken, die sich nicht zuletzt entgegen dem Urteil der Zeitgenossen als Erbe der Menschheit herausgestellt haben, sind uns überliefert, weil private Personen auf eigene Kosten eine Kopie angefertigt hatten. Immer wieder können wir darüber Jubeln, daß eine solche Kopie auftaucht und uns das Vermächtnis und die Ideen eines Menschen, eines Künstlers erschließt.

Auch das wird durch DRM für immer der Vergangenheit angehören - zukünftige Generationen sind im Konzept als legale Nutzer von Inhalten nicht vorgesehen. So werden aus dem wirtschaftlichem Interesse weniger Konzerne und der suggerierten Furcht unbedarfter Anwender vor dem "Diebstahl" ihrer Dokumente und Informationen zukünftige Generationen Ihrer Geschichte und Ihrer kulturellen und ideellen Erbes beraubt.

Letzte Aktualisierung ( Friday, 30 May 2003 )
 
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